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Valenciennes

Valenciennes´s praktische Hinweise zur Landschaftsmalerei sind nur ein kleines Anhängsel seines großen Werkes zur Perspektive. Aber sie sind anders gemeint; denn sie setzen das Studium der Natur für die zu seiner Zeit geltende historische Landschaft (mit historischen Inhalten) und für die pastorale oder natürliche Landschaft (mit ländlichen Motiven) voraus. Kann man nach ihnen heute noch malen?

 

Pierre-Henri de Valenciennes: Élemens de perspective pratique (1799/1800)

Der Abschnitt zur Landschaftsmalerei ist abgedruckt und übersetzt in:

Busch, Werner (Hrsg. 1997): Landschaftsmalerei. Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren, Band 3, Reimer Verlag, Berlin 1997

 

Wenn der Himmel mit Wolken bedeckt ist, die das ursprüngliche Licht völlig abfangen, bleibt das Tageslicht wie im Atelier mehr oder weniger dasselbe vom Morgen bis zum Abend. So hat man die Zeit, alle Details des Objektes, das man untersucht, auszuarbeiten und zu vollenden.

Wenn aber dieses Objekt von der Sonne beleuchtet wird und dieses Licht und seine Schatten sich ständig durch die Bewegung der Erde verändern, dann ist es nicht möglich, die Natur über einen langen Zeitraum zu kopieren, ohne daß man sieht, daß die Wirkung des Lichtes, das man gewählt hat, sich ziemlich schnell ändert, so daß man es nicht mehr in dem Zustand wiederfindet, mit dem man begonnen hat. Wir haben bereits festgestellt, daß die Wirkungen der Natur fast nie dieselben zu denselben Augenblicken oder zu einer vergleichbaren Stunde sind. Diese Schwankungen hängen von einer großen Anzahl von Umständen ab, etwa davon, ob das Licht mehr oder weniger rein ist, von der Menge an Dampf in der Atmosphäre, dem Wind, dem Regen, davon, ob die Gegenden höher oder niedriger gelegen sind, von dem unterschiedlichen Widerschein der Wolken, der durch ihre Farbe, ihre Leichtigkeit, ihre Dicke verursacht wird. [...] Aber das, was wir gesagt haben, muß genügen, um zu beweisen, daß es absurd ist, wenn ein Künstler einen ganzen Tag eine einzige Ansicht nach der Natur kopiert. [...]

Es gibt andere [Künstler] - und das ist die größte Zahl -, die die Natur nur während eines Zeitraumes von zwei Stunden kopieren und die an den folgenden Tagen zur selben Zeit wiederkommen, um ihre Studien fortzuzusetzen. Sicherlich sind diese vernünftiger als die ersten, da es in ihren Werken eine größere Einheit der Wirkung gibt. Aber wer verspricht ihnen, daß sie, wenn sie sich heute von ihrem Werk trennen, morgen denselben Dampf, dieselbe Farbe des Lichts, der Schatten und der Widerspiegelungen wiederfinden werden? Man sagt sprichwörtlich zu Recht, daß die Tage aufeinander folgen und sich nicht ähneln. Dies ist so wahr daß wir viele verdiente Künstler kannten, die viele Studien begonnen hatten und denen es unmöglich war, sie zu vollenden, da sie nicht mehr dieselben Wirkungen in der Natur hatten wiederfinden können.

Daraus folgt, daß die Schüler; die mit Gewinn Studien nach der Natur machen möchten, anders anfangen müssen. Zuerst muß man sich darauf beschränken, lediglich die wesentlichen Töne der Natur in dem gewählten Eindruck so gut wie möglich zu kopieren. Man muß seine Studie mit dem Himmel beginnen, der den Ton der Gründe angibt: den Ton der Bildebenen, die den Gründen verbunden sind und die fortschreitend bis zum Vordergrund kommen, der sich folglich immer im Einklang mit dem Himmel befindet, der dazu gedient hat, den Lokalton zu schaffen. Man ahnt sehr wohl, daß es, wenn man diesem Weg folgt, unmöglich ist, ausführlich und detailliert zu arbeiten, da jegliche Studie nach der Natur unerbittlich innerhalb eines Zeitraumes von maximal zwei Stunden gemacht sein muß. Und wenn es um den Effekt der aufgehenden oder untergehenden Sonne geht, darf man nicht mehr als eine halbe ansetzen. [...]

Es ist gut, dieselbe Ansicht zu unterschiedlichen Tageszeiten zu malen, um die Unterschiede zu beobachten, die das Licht auf den Formen bewirkt. Die Veränderungen sind derart wahrnehmbar und erstaunlich, daß man nur mit Mühe dieselben Gegenstände wiedererkennt.

Nach diesen allgemeinen Prinzipien kommen wir mit unserem Schüler zu den Details, und wir sagen ihm: Es gibt Gegenstände, die Sie einzeln studieren können, da sie unbeweglich sind, so wie Monumente, Ruinen, Hütten, Bäume, Felsen etc., schließlich alles, was seinen natürlichen Zustand behält, und manchmal eine ganze Landschaft, wenn der Himmel während des ganzen Tages bedeckt bleibt oder das Licht sich nicht merklich verändert. [...]

Eine Sache müssen Sie sich immer angelegen sein lassen. Sie müssen sich beizeiten daran gewöhnen, zur Wiedererinnerung Studien danach zu machen, was sie täglich gemacht haben werden, sei es, indem Sie die Meister nachahmen, sei es, indem Sie die Natur kopieren. Dies ist eine sichere Methode, um das Gedächtnis zu trainieren und es mit interessanten Objekten zu bereichern; sie fördert das Genie, ihre Nützlichkeit macht sich besonders auf Reisen bemerkbar Wenn man unterwegs ist, ist man nicht immer Herr der eigenen Zeit. Man durchquert häufig bezaubernde Gegenden, und man kann nicht anhalten, um sie zu kopieren. Manchmal ereignet sich ein Gewitter; das außerordentliche Effekte bewirkt, ein reizender Mondschein und all die raschen Phänomene der Natur; die man nicht sogleich aufnehmen kann in Ermangelung der Hilfsmittel, um sie zu zeichnen. Wenn das Gedächtnis nicht durch eine gewohnheitsmäßige Übung ausgebildet ist, dann werden Objekte daraus rasch ausgelöscht, obwohl sie es anfänglich stark beeindruckt haben. [...] beim ersten Halt kann man eine Skizze der Gegenstände machen, die man nur im Vorbeifahren gesehen hat und von denen man noch eine frische Idee bewahrt hat. Diese Skizzen dienen in der Folge dem Repertoire. Die Teile, die man auf dem Papier angelegt hat, erinnern an diejenigen, die die ganze Menge der Orte und Dinge vervollständigen sollen, die dargestellt zu werden verdienen. [..]

Wir ermuntern Sie deshalb, wenn Sie irgendeine Studie angefertigt haben, sie noch einmal zu machen, ohne das Modell [d. h. den dargestellten Gegenstand] zu betrachten; und nachdem Sie sich befleißigt haben, nichts zu vergessen und wenn Ihr Gedächtnis Ihnen nichts mehr liefert, dann stellen Sie den Vergleich mit dem Original an [...]

 

(Übersetzung Thomas Kirchner)

 

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