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Seminartexte

Seminartexte: Der Blaue Reiter in Murnau

 

Dr. Sigrid Meyer zu Knolle

Fachhochschule Merseburg, SS 2003

 

Ich habe da (in Murnau) nach einer kurzen Zeit der Qual einen großen Sprung gemacht – vom Naturabmalen – mehr oder weniger impressionistisch – zum Fühlen eines Inhaltes, zum Abstrahieren – zum Geben eines Extraktes.

(Gabriele Münter, zit. nach Hüneke (1989), S. 5.)

 

„Vor allem wies mir die Volkskunst den Weg, namentlich die um den Staffelsee einst blühende bäuerliche Hinterglasmalerei mit ihrer unbekümmerten Formvereinfachung und den starken Farben in dunklen Umrissen.“

(Gabriele Münter, 1948, zit. nach Windecker, 1991, S. 37.)

 

„Du bis hoffnungslos als Schüler – man kann dir nichts beibringen. Du kannst nur machen, was in dir gewachsen ist. Du hast alles von Natur. Was ich für dich tun kann ist, dein Talent zu hüten und zu pflegen, daß nichts Falsches dazukommt.“

(Wassily Kandinsky über Gabriele Münter, Windecker, 1991, S. 31)

 

„Keiner von uns sucht die Natur direkt wiederzugeben oder ihre äußeren Schönheiten irgendwie malerisch zu behandeln. Einzelne Naturstücke können uns nur zufällig fesseln und auch nur dann, wenn sie außer dem Auge auch die Seele berühren – und dies in erster Linie. Da wir suchen, die innere Natur, d. h. Seelenerlebnisse, in künstlerische Form zu fassen, so wäre es irrtümlich, unsere Arbeiten mit dem Maßstab der äußeren Schönheit zu messen. Wir sind deswegen einander unähnlich und auch ähnlich. Unähnlich, da wir verschiedene Seelen haben, die Quelle unsres Schaffens sind. Also sind die Motive verschieden. Und ähnlich sind wir, da wir alle keinen Wert auf zufällige Einzelheiten legen, sondern entweder überhaupt Einzelheiten auslassen oder nicht die auf den Bildern bringen, die zufällig in der Natur waren, sondern die, welche dem inneren Zweck der einzelnen Arbeit dienen.“

(Wassily Kandinsky, Über die Neue Künstler-Vereinigung München, 1910, zit. nach Hüneke, S. 21)

 

„Im Frühling 1905 fuhren wir alle nach der Bretagne an das Meer nach Carantec. Hier arbeitete ich sehr viel, und ich verstand, die Natur entsprechend meiner glühenden Seele in Farben zu übersetzen. Ich malte dort viele Landschaften, vom Fenster aus Gebüsche und bretonische Köpfe. Die Bilder waren glühend in Farben. Und mein Inneres war damals zufrieden. Zehn von diesen Bildern wurden im Oktober desselben Jahres im Salon d`Áutomne in der russischen Abteilung ausgestellt. Es war eine internationale Ausstellung, die von Diaghilev veranstaltet war. Alle diese Bilder wurden später in Deutschland verkauft. Viele davon nach Barmen in die Ruhmeshalle. Zum ersten Mal habe ich damals verstanden zu malen, nicht das, was ich sehe, aber das, was ich fühle.

(Alexej von Jawlensky, zitiert nach Tayfun Belgin, S. 42)

 

„Glaubt man denn im Ernste, dass wir neuen Maler unsere Formen nicht aus der Natur holen, sie nicht der Natur abringen, so gut wie jeder Künstler aller Zeiten? Es gibt kaum eine lächerlichere und verständnislosere Form, unsere Bestrebungen abzutun, als ebendiese: uns Hochmut und Kälte vor der Natur vorzuwerfen. Die Natur glüht in unseren Bildern wie in jeder Kunst. Nur ein Auge, das nicht sehen will und sich auch vor jeder historischen Kunsterinnerung verschließt, kann uns so gröblich mißverstehen. “

(Franz Marc 1912, zit. nach Hüneke (1990), S. 126.)

 

„Die künstlerische Logik von Picasso, Kandinsky, Delaunay, Burljuk etc. ist vollkommen und einwandfrei; sie „sehen“ das Reh gar nicht und kümmern sich nicht darum; sie geben „ihre“ innerliche Welt; das Subjekt. (...) Ich kann ein Bild malen: das Reh. Pisanello hat solche gemalt. Ich kann aber auch ein Bild malen wollen: „das Reh fühlt“. Wie unendlich feinere Sinne muß ein Maler haben, das zu malen!

(Franz Marc, zit. nach Hüneke (1990), S. 106.)

 

„Ich suche mein Empfinden für den organischen Rhythmus aller Dinge zu steigern, suche mich pantheistisch einzufühlen in das Zittern und Rinnen des Blutes in der Natur, in den Bäumen, in den Tieren, in der Luft ... Ich sehe kein glücklicheres Mittel zur „Animalisierung“ der Kunst, wie ich es nennen möchte, als das Tierbild, Darum greife ich danach ... Meine Plastik ist ein tastender Versuch nach derselben Richtung. Das Kreisen des Blutes in den beiden Pferdekörpern, ausgedrückt durch die mannigfaltigen Parallelismen und Schwingungen in den Linien. Der Beschauer sollte gar nicht nach dem „Pferdetyp“ fragen können, sondern das innerlich zitterne Tierleben herausfühlen. Ich habe absichtlich getrachtet, den Pferden jedes besondere Rassezeichen zu nehmen. daher z. B. das gewaltsame der Gliedmaßen, das gewissermaßen unpferdehaft ist.“

(Franz Marc, zitiert nach Klaus Lankheit (1950), S. 19)

 

„Wir werden  nicht mehr den Wald oder das Pferd malen , wie sie uns gefallen oder scheinen, sondern wie sie wirklich sind, wie sich der Wald oder das Pferd selbst fühlen, ihr absolutes Wesen, das hinter dem Schein lebt, den wir nur sehen.“

(Franz Marc, Städtische Galerie Lenbachhaus München, S. 67)

 

„Zu den Tieren neigt er sich menschlich. Er erhöht sie zu sich.“

(Paul Klee, Städtische Galerie Lenbachhaus München, S. 70)

 

 „Ich habe es mir herausgenudelt aus meinen Eingeweiden:
 Farben  Blau  Gelb  Rot
Auf Anfrage spielte mir unsere Freundin Job die drei entsprechenden Klänge auf dem Klavier, die nach ihrer Behauptung dieselbe große Rolle in der Musik spielen.
Also   Blau  Gelb  Rot
Parallelerscheinung Traurig heiter brutal
(in Tönen, auch in Farben).“

(August Macke: An Franz Marc (Dezember 1910), zit. nach Hüneke, 1989, S. 406)

 

„Ich werde Dir nun meine Theorie von Blau, Gelb und Rot auseinandersetzen, die Dir wahrscheinlich ebenso „spanisch“ vorkommt wie mein Gesicht. Blau ist das männliche Prinzip, herb und geistig. Gelb das weibliche Prinzip, sanft, heiter und sinnlich. Rot die Materie, brutal und schwer und stets die Farbe, die von den anderen beiden bekämpft und überwunden werden muß! Mischst Du z. B. das ernste , geistige Blau mit Rot, dann steigerst Du das Blau bis zur unerträglichen Trauer, und das versöhnende Gelb, die Komplementärfarbe zu Violett, wird unerläßlich. (Das Weib als Trösterin, nicht als Liebende!) Mischst Du Rot und Gelb zu Orange, so gibst Du dem passiven und weiblichen Gelb eine „megärenhafte“, sinnliche Gewalt, daß das kühle, geistige Blau wiederum unerläßlich wird, der Mann, und zwar stellt sich das Blau sofort und automatisch neben Orange, die Farben lieben sich. Blau und Orange, ein durchaus festlicher Klang. Mischst Du nun aber Blau und Gelb zu Grün, so weckst Du Rot, die Materie, die „Erde“, zum Leben, aber hier fühle ich als Maler immer einen Unterschied. Mit Grün bringst Du das ewig materielle, brutale Rot nie ganz zur Ruhe, wie bei den vorigen Farbklängen. (Stell Dir nur z. B. kunstgewerbliche Gegenstände vor, grün und rot!) Dem Grün müssen stets noch einmal Blau (der Himmel) und Gelb (die Sonne) zu Hilfe kommen, um die Materie zum Schweigen zu bringen. Und dann noch etwas: (es wird etwas literarisch klingen, aber ich weiß es nicht besser auszudrücken.) Blau und Gelb sind wiederum nicht gleich weit von Rot entfernt. Ich werde trotz aller Spektralanalyse den Malerglauben nicht los, daß Gelb (das Weib) der Erde Rot näher steht als Blau, das männliche Prinzip. Die Übereinstimmung mit der uralten physiologischen Theorie über das `Weib´ klingt hier etwas komisch, aber sie stützt in meiner Phantasie die Bezeichnung, die ich für mich den Farben gebe. Daß ich die einzelnen Farben, wie Du siehst, durchaus, maltheoretisch, nicht gleich werte, hängt mit meinen jüngsten Erfahrungen (jung sind sie alle) zusammen, daß ebenso wichtig und viel schwieriger wie das einfache Komplementärproblem das Problem der Farbmassen ist. Daß Blau sich auf Orange stürzt, ist nicht schwer sich einzuprägen, aber welche Masse Blau sich in jedem einzelnen Falle neben Orange stellen darf, - da liegt der Has im Pfeffer. Das lassen die Theorien verflucht aus, wenn man nicht bloß angestrichene Zigarrenkisteln malen will.“

(Franz Marc: An August Macke (12. 12. 1910), zit. nach Hüneke (1989, S. 407 - 409)

 

„Ich male ... überhaupt nur mehr das Allereinfachste ... denn nur in diesem liegt die Symbolik, das Pathos und das Geheimnisvolle in der Natur.“

(Franz Marc am 6. 8. 1907, zitiert nach Lankheit (1950), S. 15)

 

„Lieber Kandinsky, ich habe das traurige Gefühl, daß dieser Krieg wie eine große Flut zwischen uns beiden strömt, die uns trennt; der eine sieht den andern kaum am fernen Ufer. Alles Rufen ist vergeblich, - vielleicht auch das Schreiben. In solcher Zeit wird jeder, er mag wollen oder nicht, in seine Nation zurückgerissen, Ich kämpfe in mir sehr dagegen an; das gute Europäertum liegt meinem Herzen näher als das Deutschtum; was Sie jetzt fühlen, weiß ich nicht. Ich selbst lebe in diesem Krieg. Ich sehe in ihm sogar den heilsamen wenn auch grausamen Durchgang zu unseren Zielen; er wird die Menschen nicht zurückwerfen, sondern Europa reinigen, bereit machen.“

(Franz Marc in einem Brief an Wassily Kandinsky, zitiert nach Städtische Galerie Lenbachhaus München, S. 44)

 

„Das Geistesartige wird beutelartig ausgelegt. Die Menschheit steckt bis zum Halse im materialistischen Sumpf. ( ... ) Ich bleibe aber bei meinem alten Glauben: alle Schreckensdinge, die die heutigen Menschen erleben, führen letztenendes zum geistigen Erwachen!“

(Wassily Kandinsky an Schreyer, 21. 4. 1940, zitiert nach Georgia Illetschko, S. 170.)

 

„Die Linie ist, wie wir oben gesehen haben, ein Ding, welches ebenso einen praktisch-zweckmäßigen Sinn hat wie ein Stuhl, ein Brunnen, ein Messer, ein Buch usw. Und dieses Ding wird in dem letzten Beispiel als ein reines malerisches Mittel gebraucht ohne die anderen Seiten, die es sonst besitzen kann – also in seinem reinen inneren Klang. Wenn also im Bild eine Linie von dem Ziel, ein Ding zu bezeichnen, befreit wird und selbst als ein Ding fungiert, wird ihr innerer Klang durch keine Nebenrolle abgeschwächt und bekommt ihre volle innere Kraft. So kommen wir zur Folge, dass die reine Abstraktion sich auch der Dinge bedient, die ihr materielles Dasein führen, geradeso wie die reine Realistik.

(Wassily Kandinsky, Über die Formfrage, zit. nach Hüneke, S. 134.)

 

„So löste sich von selbst allmählich immer mehr der Gegenstand in meinen Bildern auf. Dies ist auf beinahe allen Bildern von 1910 zu sehen. Der Gegenstand wollte und sollte noch nicht vollkommen aus meinen Bildern verschwinden. Erstens ist die Reife einer Zeit nicht künstlich hervorzurufen. Und nichts ist schädlicher und sündhafter, als gewalttätig seine Form zu suchen. (...) So war ich gezwungen, mit Geduld die Stunde abzuwarten, die meine Hand zum Schaffen der abstrakten Form bringen wird. Zweitens (...) wollte ich nicht vollkommen den Gegenstand fallen lassen. (...) Ich war noch zu stark mit dem Wunsch verbunden, die rein malerischen Formen mit diesem seelischen Klang zu suchen. Ich löste also auf demselben Bild die Gegenstände mehr oder weniger auf, damit sie nicht alle auf einmal erkannt werden können, und damit also diese seelischen Mitklänge allmählich; der eine nach dem anderen vom Beschauer erlebt werden können. Und hier und da kamen von selbst rein abstrakte Formen herein, die also rein malerisch wirken mussten ohne die erwähnte Färbung. (...)“

(Wassily Kandinsky, Vortragsentwurf zu einer Ausstellung, Januar 1914, zit. nach Hüneke, S.215)

 

„Plötzlich kam mir die Natur weiß vor; das Weiß ( das große Schweigen – voll Möglichkeiten) zeigte sich an allen Stellen und verbreitete sich sichtbar. An dieses Gefühl habe ich mich später erinnert, als ich eine besondere Rolle und Pflege des Weiß auf meinen Bildern beobachtete. Seitdem weiß ich, welche ungeahnten Möglichkeiten diese Urfarbe in sich birgt. Hier sah ich, wie falsch ich diese Farbe bisher auffaßte, da ich sie in großen Massen nur zur Hebung des zeichnerischen Elementes für notwendig hielt, und vor dem Leichtsinn ihrer Kraft Angst hatte. Diese Erfahrung war für mich von einer ungeheuren Wichtigkeit. Ich fühlte mit einer noch nicht erlebten Präzisität, daß der Hauptklang, der der Farbe angeborene Charakter durch verschiedene Anwendungen sich unendlich umdefinieren lässt.“

(Wassily Kandinsky, Vortragsentwurf zu einer Ausstellung, Januar 1914, zit. nach Hüneke, S.217)

 

„(...) Ich will keine Musik malen.
Ich will keine Seelenzustände malen.
Ich will nicht farbig oder unfarbig malen.
Ich will in der Harmonie der Meisterwerke der vergangenen Zeit keinen Punkt ändern, bekämpfen oder umwerfen.
Ich will nicht der Zukunft ihre richtigen Wege zeigen.
Abgesehen von meinen theoretischen Arbeiten, die bis jetzt objektiv wissenschaftlich viel zu wünschen lassen, möchte ich nur gute, notwendige lebendige Bilder malen, die wenigstens von wenigen Beschauern richtig erlebt werden.“

(Wassily Kandinsky, Vortragsentwurf zu einer Ausstellung, Januar 1914, zit. nach Hüneke, S.218)

 

„Oft höre ich von Kunstinteressierten und Beteiligten, ich wäre kein „Abstrakter“, ich selbst wäre der einzige, der mich für abstrakt hält. Sie wissen, das was mich in der abstrakten Kunst interessiert und was ich an ihr schätze, ist die höhere Geistigkeit. Sonst interessiert mich die „Frage“ wenig.“

(Wassily Kandinsky an Albers, 8. 5. 1935, zitiert nach Georgia Illetschko, S. 171.)