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Texte

Französische Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts: Von Barbizon nach Giverny

Dr. Sigrid Meyer zu Knolle

SS 2002 Fachhochschule Merseburg

Texte zum Seminar

 

„An einem Wintertag sah ich (diesen Baum)

schneebedeckt, weiß wie einen von Ossians

Kriegern. Er breitete seine Arme aus, wie

ein alter Barde. Ein Ast fiel zu meinen Füßen

und tötete mich fast; es wäre ein schöner

Tod gewesen, im Herzen des Waldes, von einer

Eiche getötet und vielleicht dort vergessen ...

Sieh all diese schönen Bäume, ich malte

sie alle vor dreißig Jahren, ich machte all

ihre Portraits. Schau auf die Birke dort drüben;

die Sonne erleuchtet sie und macht aus ihr

eine Marmorsäule, eine Säule, die Muskeln

hat, Äste, Hände und eine schöne Haut, weiß

und blass, wie die Haut einer Waltnymphe ...

Ah, Die Sonne, sie ist die Lyra von Orpheus,

sie macht alles lebendig, alles fühlend, alles

anziehend. Sie bringt die Steine zum Sprechen.

(Théodore Rousseau, zitiert nach Robert L. Herbert (1962) S. 68)

 

 

„Die schönste Sache, die ich kenne, ist die

Ruhe, die Stille, an der man sich im Wald

oder auf den bestellten Feldern erfreut. Du

wirst zugeben, dass dies traumhaft ist, eine

traurige Träumerei, aber zauberhaft. Du sitzt

unter ein paar Bäumen und fühlst all das Gute

und Klare, dessen man sich erfreuen kann;

und dann siehst du auf einem kleinen Pfad

eine arme Gestalt mit Reisig beladen daher-

kommen. Die jedes Mal unerwartete und eindrucks-

volle Art, in der diese Figur vor dir er-

scheint, macht dir unwillkürlich das traurige

Menschendasein und seine Mühsal klar ... In

den bebauten Gegenden, manchmal auch in sol-

chen, die kaum zu beackern sind, siehst du

Gestalten beim Graben und Hacken; du siehst

einen, der von Zeit zu Zeit seinen Rücken

streckt und mit dem Handrücken über seine

Stirn streicht. Im Schweiße deines Angesichtes

sollst du dein Brot essen. Ist das die ange-

nehme leichte Arbeit, die bestimmte Leute

haben würden, wie du immer glaubtest? Nichts-

destoweniger ist es dort, wo ich das große

Poem der wahren Menschennatur finde.“

(Jean-Francois Millet, zitiert nach Robert L. Herbert (1962) S. 45)

 

Ein Ausflug in den Wald von Fontainebleau im Sommer 1852

„Einmal wird beschlossen, einen Ausflug nach Fontainebleau, nach Marlotte, zu machen, zum Papa Saccault, der Wahlheimat der modernen Landschaftsmaler und Murgers. Amélie zieht ihr schmuckstes Kleid an, rafft allen ihren Schmuck zusammen; und wir landen in jenem Wald, wo jeder Baum ein von einem Kreis von Malkästen umringtes Modell zu sein scheint. Dort lange Spaziergänge mit den Malern und ihren Freundinnen, (...). Man borgt sich die Seife aus, man hat den Appetit von Menschenfressern, die auf magere Kost gesetzt werden, all das gewürzt von dem Geist, der den saueren Krätzer vergessen lässt und den ganzen Wald mit Operettenlaune erfüllt, sogar jene Lichtung, auf der man, wie es heißt, die Druiden vorüberziehen sehen wird. Jeder steuert sein Scherflein an guter Laune bei. Die Frauen machen sich, ohne zu murren, die Knöpflstiefelchen nass.“

(Sommer 1852. Edmond und Jules de Goncourt, Tagebücher. Aufzeichnungen aus den Jahren 1851 – 1870. Zitiert nach Güse (2002), S. 36)

 

Der Bruch mit den Prinzipien der alten Malerei

Fernand Desnoyers, ein schmächtiger aber lautstarker Dichter, hatte 1855 den Bruch des Realismus mit „den heiligen Hainen, der Schlacht der Zimbern, dem Pandämonium der griechischen Tempel, den Leiern, den jüdischen Harfen, den Alhambren, den tuberkulösen Eichen, den Sonetten und Oden, den Dolchen und den Waldnymphen im Mondenschein“ begrüßt.

„Seien wir echt, auch wenn wir hässlich sind,“ rief er begeistert aus. „lasst uns nur das beschreiben oder malen, was wirklich ist, oder wenigstens nur das, was wir sehen, was wir wissen, was wir erlebt haben. Wir wollen keine Lehrer und keine Schüler mehr. Eine sonderbare Schule, nicht wahr? Eine Schule ohne Lehrer und ohne Schüler, deren einzige Prinzipien Unabhängigkeit, Aufrichtigkeit, Individualismus sind!“

(Fernand Desnoyers 1855, zitiert nach John Rewald (1990), S. 24 und 25)

51:

Charles Gleyre (1806 – 1874), Maler und Lehrer an der Ecole des Beaux-Arts, unterhielt auch ein privates Atelier, in dem sich Monet, Bazille, Renoir und Sisley kennenlernten. Eine Aktstudie von Claude Monet kommentierte er einmal auf die folgende Weise: „Nicht schlecht, gar nicht schlecht diese Sache da, aber sie ist dem Modell zu ähnlich. Sie haben einen gedrungenen Mann vor sich und malen ihn gedrungen; seine Füße sind riesengroß, Sie geben sie ebenso groß wieder. Hässlich ist das alles. Denken Sie daran, junger Mann, wenn man einen Körper zeichnet, muss man sich immer der Antike erinnern. Die Natur ist zum Studieren sehr gut, junger Freund, aber sonst ist sie nicht interessant. Der Stil, sehen Sie, ist alles!“

(Charles Gleyre, zitiert nach John Rewald (1990), S. 51)

 

Camille Pissarro zur impressionistischen Malweise

„Suchen Sie das Stück Natur, das Ihrem Wesen entspricht“, sagte er. „Das Motiv soll mehr auf Form und Farbe als auf Zeichnung hin betrachtet werden. Es ist unnötig, eine Form zu umgrenzen; sie kann auch ohne dies zur Geltung kommen. Genaue Zeichnung wirkt hart und schadet dem Gesamteindruck; sie zerstört das Gefühlsmoment. Grenzen Sie also die Umrisse der Dinge nicht zu scharf ab; der im Tonwert richtige Farbfleck muss die Zeichnung ergeben. Die Schwierigkeit bei einer großen Form liegt nicht in der exakten Wiedergabe der Kontur, sondern im Malen dessen, was sie enthält. Malen Sie die wesentliche Eigenart der Dinge, versuchen Sie diese auf irgendeine Weise darzustellen, ohne sich mit der Technik abzuplagen. Hat man ein Motiv gewählt, muss man sehen, was sich rechts und links von ihm befindet, und an allem gleichzeitig malen. Arbeiten Sie nicht Stück für Stück, tragen Sie überall Farben auf in genauer Beobachtung der Tonwerte im Verhältnis zur Umgebung. Malen Sie mit kleinen Pinselstrichen und versuchen Sie, ihre Wahrnehmungen sogleich festzuhalten. Das Auge darf sich nicht auf einen bestimmten Punkt konzentrieren, sondern muss alles aufnehmen und dabei die Reflexe der Farben auf ihre Umgebung beachten. Arbeiten sie nebeneinander am Himmel, Wasser, an den Zweigen und der Erde, und verbessern Sie immer wieder, bis das Ganze stimmt. Bedecken Sie schon in der ersten Sitzung die ganze Leinwand und arbeiten Sie, bis es nichts mehr hinzuzufügen gibt. Beobachten Sie die Luftperspektive genau vom Vordergrund bis zum Horizont, den Widerschein des Himmels und des Laubes. Haben Sie keine Angst, kräftige Farbe aufzutragen, verfeinern sie nach und nach die Arbeit. Gehen Sie nicht nach Regeln und Prinzipien vor, sondern malen Sie, was Sie wahrnehmen und empfingen. Malen Sie flott und ohne Zögern, denn es ist wichtig, den ersten Eindruck festzuhalten. Nur keine Schüchternheit vor der Natur! Man muss kühn sein, auch auf das Risiko hin, sich zu irren und Fehler zu machen. Es gibt nur einen Lehrer: die Natur. Sie sollte man immer befragen.“

(Camille Pissarro, zitiert nach John Rewald (1990), S. 283 und 285)

 

Die weiße Leinwand

„Monet erzählte später: „Courbet malte stets auf dunklem Grund, auf braun grundierte Leinwand, und dies bequeme Verfahren versuchte er auch mir nahe zulegen. „Auf diesem Grund“, sagte er, „können Sie das Licht, die farbigen Massen verteilen und gleich den Effekt sehen.“ Monet befolgte diesen Rat nicht, obwohl sein Blumenstilleben auf rotem Grund gemalt war; für gewöhnlich zog er die weiße Leinwand vor, wie es Manet als erster getan hatte. Indem er die jahrhundertealte Überlieferung in den Wind schlug (der Degas noch treu blieb), verzichtete er darauf, seine Bilder vor allem vom Hell-Dunkel her aufzufassen, das mit Zwischentönen aufgefüllt wird. Wenn er direkt auf weißer Leinwand malte, konnte er seine Tonstufen ohne Rücksicht auf vorbestimmte Effekte aufbauen. Obgleich diese Methode an seine visuelle Vorstellungsgabe größere Ansprüche stellte – denn solange die Leinwand nicht ganz bedeckt war, konnte er den Ausgleich der Harmonien nicht erreichen -, wurde er doch belohnt durch den helleren Klang seiner Malerei, den er trotz seiner fast ausschließlichen Verwendung gedämpfter Farben erzielte.“

(John Rewald (1990), S. 90)

 

Bunte Schatten

Edouard Manet glaubte lange Zeit, Licht mit einem Ton darstellen zu können. Seine Freunde sahen das anders: „Diejenigen seiner Freunde jedoch, die schon im Freien gearbeitet hatten, das heißt alle Landschaftsmaler, konnten diese Auffassung, die jedes Motiv nur in beleuchtete und beschattete Flächen aufteilte, nicht akzeptieren. Ihre Erfahrungen in der Natur lehrten sie anderes. Nach und nach gaben sie das übliche Verfahren auf, die dritte Dimension durch das zunehmende Dunklerwerden der sogenannten Lokalfarbe, je mehr der Gegenstand sich von der Lichtquelle entfernte und in den Schatten rückte, zu suggerieren. Ihre Beobachtungen gingen dahin, dass die Schattenpartien nicht farblos und auch nicht einfach dunkler waren als die anderen Stellen. Da sie weniger von Licht durchdrungen waren, boten die Schattenpartien natürlich nicht dieselben Farbwerte wie die besonnten Stellen, sie waren aber genauso reich an Farbtönen, in denen die Komplementärwerte, vor allem das Blau, vorherrschten. In Durchführung dieser Beobachtungen wurde es möglich, die Tiefe anzugeben, ohne jene pechigen Asphaltfarben zu verwenden, die bisher für die Darstellung der Schatten benutzt wurden. Dadurch nahmen die Bilder automatisch einen helleren Ton an. Um diese Probleme zu erforschen, begannen Monet, Sisley und Pissarro sich vor allem mit Winterlandschaften zu beschäftigen. Ein Schatten auf Schnee war niemals pechig; an Stelle des ursprünglichen Weiß erschienen auf den Schattenflächen Farben, die von den Schatten bildenden Dingen reflektiert oder atmosphärisch bedingt waren. Daraus ging hervor, dass die dem Licht ausgesetzte Umgebung die Färbung der Schattenpartien beeinflusste.“

Dazu erklärte Renoir:

„Weiß existiert nicht in der Natur. Sie haben über dem Schnee Himmel. Ihr Himmel ist blau. Dieses Blau muss im Schnee erscheinen. Morgens ist Grün und Gelb im Himmel. auch diese Farben müssen im Schnee auftauchen, wenn Sie Ihr Bild am Morgen gemalt haben. Wäre es am Abend entstanden, müssten sich Rot und Gelb im Schnee zeigen. Ihre Schatten sind viel zu dunkel. Der Baum zum Beispiel hat auf der Sonnen- und der Schattenseite die gleiche Lokalfarbe. Aber Sie malen ihn, als wären es zwei verschiedene Objekte, ein helles und ein dunkles . Die Farbe des Objekts ist jedoch die gleiche, nur liegt ein Schleier darüber, der manchmal dünn, manchmal dicht ist, aber immer bleibt es ein Schleier. So sollten Sie malen, erst den Gegenstand und dann den Schleier darüber ... Sehen Sie sich Tizian, Rubens an, wie dünn ihre Schatten sind, so dünn, dass man hindurch sehen kann. Ein Schatten ist weder schwarz noch weiß. Er hat immer eine Farbe. Die Natur kennt nur Farben --- Schwarz und Weiß sind keine Farben.“

(John Rewald (1990), S. 136 und Auguste Renoir, zitiert nach John Rewald (1990), S. 137)

 

Vibration der Leinwand

„Diese neue Naturanschauung führte die Maler nach und nach zu einer neuen Farbanordnung auf der Palette und zu einer neuen Technik, die ihrer Absicht, das fließende Spiel des Lichtes einzufangen, entsprach. Die aufmerksame Beobachtung des farbigen Lichtes an einem Motiv und in einem bestimmten Moment brachte sie dazu, die traditionellen dunklen Schatten aufzugeben und helle Farben zu verwenden, und veranlasste sie auch, die Lokalfarben nicht mehr wichtig zu nehmen und sie dem allgemeinen atmosphärischen Effekt unterzuordnen. Durch ihren Farbauftrag in sichtbaren Strichen gelang es ihnen, die Umrisse der Dinge aufzulösen und sie mit ihrer Umgebung zu verschmelzen. Außerdem war es ihnen durch diese Malweise möglich, eine bestimmte Farbe leicht in einen anderen Farbbereich zu setzen, und zwar als ungebrochenen und selbständigen Farbwert, und dadurch die Wirkung der Farbe zu erhöhen. Vor allem aber trugen die vielen sichtbaren Pinselstriche und ihre Kontraste dazu bei, die tätige Wirkung des Lichtes, sein Vibrieren, bis zu einem gewissen Grad auf der Leinwand darzustellen oder zu suggerieren. Ferner war diese Technik der kleinen lebhaften Flecken besser geeignet, schnell wechselnde Stimmungen festzuhalten. Da die Hand langsamer ist als das Auge, das einen momentanen Effekt sofort registriert, war eine Methode, die schnelles Arbeiten erlaubte, von größter Wichtigkeit, um mit den Wahrnehmungen Schritt halten zu können. Hierzu pflegte Renoir zu sagen: „ Im Freien mogelt man immerzu.“ Diese Mogelei aber bestand einfach darin, unter den unzähligen Aspekten der Natur eine Wahl zu treffen, um die Wunder des Lichtes in eine zweidimensionale Farbensprache umzuwandeln und den erwählten Aspekt in den Farben und der Malweise wiederzugeben, die dem eigenen Eindruck am nächsten kam.“

(John Rewald (1990), S. 223)